Werkzeuge für die Optimierung von Digitaler Barrierefreiheit

12. Dezember 2020

Wer im Internet nach Software und Anwendungen zur Überprüfung der Barrierefreiheit der eigenen Website sucht, findet sich in einem Dschungel aus Angeboten wieder. Wir geben Ihnen einen Überblick über die gängigsten Software-Lösungen, ihre Möglichkeiten und Grenzen.


Die meisten Werkzeuge sind hauptsächlich dazu in der Lage, die Syntax einer Seite technisch zu überprüfen. Besteht Ihre Seite die jeweilige Prüfung durch das entsprechende Tool ist also noch lange nicht garantiert, dass sie alle gesetzlichen Vorgaben in Sachen digitale Barrierefreiheit erfüllt. Eine vollständige Überprüfung, die auch die Wahrnehmung, wie etwa eine eingängige Navigation und verständliche Texte, mit einbezieht ist nur durch Testbenutzer möglich. Dennoch sind die verfügbaren Anwendungen hilfreich - gerade, wenn es um die technischen Komponenten der Barrierefreiheit geht.

Software und Browser-Plugins zum Überprüfen von Barrierefreiheit

Die Software-Lösungen und Werkzeuge zum Testen digitaler Barrierefreiheit sind vielfältig. Für unterschiedliche Anwendungsfälle und Programmierungen gibt es unterschiedliche Angebote. Die Liste an Werkzeugen wird laufend länger. Die wichtigsten und gängigsten finden Sie hier inklusive aller Vor- und Nachteile aus Sicht der Praxis.

Digitale Barrierefreiheit mit Wave testen

Webaim bietet Wave als Erweiterung für Firefox und Chrome und auch als Webservice an. Mit dieser Browser-Erweiterung können alle geöffneten Seiten überprüft werden, auch Seiten mit Passwort-Schutz. Wave wird auch als Webservice angeboten: Durch Angabe der URL können auch auf diesem Weg Seite überprüft werden.

Einsatzbereich:

  • Übersicht
  • Kontrast
  • Struktur der Überschriften
  • Alternativ-Texte
  • Titel von Link

Pro:

  • Browser-Erweiterung, einfache Bedienung
  • Bei gefundenen Fehlern werden Tipps zum verbessern und Links in die WCAG Guidelines angeboten.
  • Die Browser-Erweiterung ist kostenlos
  • Moderne Oberflächen

Contra:

  • Deckt nur einen Teil der WCAG Kriterien ab
  • Keine Möglichkeit zum Export
  • Viele false-positive Warnungen

Digitale Barrierefreiheit mit dem W3C WAI WCAG-EM Report Tool testen

Das Tool der Web Accessibility Initiative des W3C erstellt strukturierte Reports über die Barrierefreiheit der Website. Dieses Tool dient dazu, Schritt für Schritt einen Bericht zu erstellen. Neben allgemeinen Informationen zur geprüften Website werden die getesteten Unterseiten definiert. Für jede Seite kann pro Erfolgskriterium der WCAG (LINK) erfasst werden, ob die Seite die Anforderung erfüllt, nicht erfüllt oder das Kriterium gar nicht nicht zu Anwendung kommt. Je nach gewünschtem Level (LINK) werden mehr oder weniger Erfolgskriterien zur Prüfung angezeigt.

Einsatzbereich:

  • Erstellen von Berichten über den Stand der Barrierefreiheit
  • Export von HTML und JSON Dateien
  • Erfassen des Samples
  • Erfassen aller Testschritte

Pro:

  • Daten werden lokal gespeichert
  • Open Source Software mit frei zugänglichem Quellcode
  • Mehrere Sprachen verfügbar

Contra:

  • Keine automatischen Tests
  • gewöhnungsbedürftige Bedienung

Digitale Barrierefreiheit mit Accessibility Insights testen

Microsoft hat Accessibility Insights als Erweiterung für Chrome und Edge sowie als Programm für Windows und Android entwickelt. Die Software baut auf axe-core auf.

Besonders gut gelungen ist bei diesem Tool die Visualisierung einiger Anforderungen. Beispielsweise werden die Reihenfolge der Focus-Elemente oder die Größe von Überschriften sehr gut veranschaulicht.

Einsatzbereich:

  • Übersicht mit automatischen Checks
  • Nutzung von Farben
  • Nutzung von Überschriften
  • Navigationsbereiche (Landmarks)
  • Visualisierung der Tabulator-Navigation
  • Oberfläche für die systematische Überprüfung von Websites

Pro:

  • Prüfung von einzelnen Themen oder kompletter Test
  • Ergebnisse des Assessments können als html exportiert werden
  • Bei gefundenen Fehlern werden Links zur WCAG angeboten

Contra:

  • Automatische Tests decken nicht alle Kriterien ab
  • Viele false-positive Warnungen

Digitale Barrierefreiheit mit HTML Validator testen

Damit Screenreader und andere Hilfsmittel überhaupt den Inhalt von Websites ausgeben können, müssen sie diese lesen können. Dafür ist ein korrekter HTML Code wichtig. Moderne Browser können kleine Fehler im Code leicht ausgleichen, diese mit freiem Auge im Quellcode zu erkennen, ist schwierig. Dafür gibt es den HTML Validator (https://validator.w3.org/): Er erkennt etwa fehlende Tags am Ende einer Tabelle oder nicht zulässige Verschachtelungen. Das Tool prüft, ob der Quellcode den Anforderungen an HTML erfüllt und listet alle Verstöße auf.

Digitale Barrierefreiheit schaffen mit Hilfsmitteln: Blind surfen mit MacBook oder iPhone

Neben Werkzeugen, die automatisch Berichte erstellen oder Probleme im Quellcode überprüfe, gibt es auch die Hilfsmittel, die Menschen mit Beeinträchtigung nützen können. Dazu gehört etwa VoiceOver (https://support.apple.com/de-at/guide/iphone/iph3e2e415f/ios) bei Apple Geräten. Bei Android heißt das System TalkBack (https://www.apple.com/at/voiceover/info/guide/_1121.html) .

Ist VoiceOver aktiviert liest das Endgerät (in dem Fall: MacBook oder IPhone) alle Informationen vor. Das kann im ersten Moment störend oder unübersichtlich wirken. Doch blinden Menschen ermöglicht diese Funktion, mit ihrem Smartphone zu telefonieren, Mails zu lesen oder zu Surfen. Eine barrierefreie Website sollte bei aktiviertem VoiceOver und ohne Bedienung durch eine Maus voll nutzbar sein.

Testet man die Nutzung mit VoiceOver, zeigen sich einfache Probleme wie Tastaturfallen oder fehlende Skip-Menüs sehr rasch.


Was kann automatisch und was muss händisch geprüft werden

Diese Zusammenfassung zeigt: Es gibt zahlreiche Werkzeuge, um die digitale Barrierefreiheit ihrer Website oder mobilen Anwendung zu überprüfen. Trotzdem: Auch mit dem Einsatz künstlicher Intelligenz kann der menschliche Prüfer nicht vollständig ersetzt werden. Manche Schwierigkeiten erkennen nur echte Nutzer: Etwa ob die Reihenfolge von Inhalten visuell und technisch zusammenpasst oder ob Bilder richtig beschriftet sind. In der Praxis unterstützen Test-Werkzeuge dabei, eine erste Übersicht über etwaige Probleme zu erhalten.

Fazit: Die wichtigsten Tipps zum Testen digitaler Barrierefreiheit

Richtiges und laufendes Testen sind entscheidend, um digitale Barrierefreiheit optimal umzusetzen. Diese Tipps helfen dabei:

  1. Übersicht schaffen: Ein strukturierter und wiederholbarer Ablauf für die Prüfung ist entscheidend. Das WCAG EM-Report Tool ist dafür eine gute Basis.
  2. Genau dokumentieren: Alle gefundenen Probleme sollten möglichst genau beschrieben werden. Nicht nur die Fehler an sich sind zu dokumentieren, sondern auch unter welchen Umständen (Browser, Betriebssystem..) sie auftreten, welche Kriterien betroffen sind und welche Lösungsvorschläge es gibt.
  3. Neue Herausforderungen lösen: Auch nach vielen überprüften Seiten stellen laufende Veränderungen der Technik uns immer wieder Aufgaben. Das macht das Prüfen von digitaler Barrierefreiheit zu einer spannenden Aufgabe.

Testen bedeutet Aufwand. Doch die Mühe lohnt sich. Denn die wirksame Abschaffung digitaler Barrieren macht Ihre Inhalte für mehr Nutzer in vollem Umfang zugänglich. Und darauf kommt es an.