Was ist neu in WCAG 2.2?

8. November 2023

Wie wir schon im früheren Blogartikel über die WCAG geschrieben haben, sind die WCAG oder Web Content Accessibility Guidelines das zentrale internationale Regelwerk für digitale Barrierefreiheit. Sie geben Richtlinien für die Gestaltung von Webseiten und mobilen Anwendungen ohne Barrieren für Menschen mit Einschränkungen vor. Nun erhielt die Version 2.2 den Status "Recommendation".


Schriftzug WCAG 2.2 Recommendation

Am 5. Oktober 2023 hat die WCAG Version 2.2, nach mehrmaligem Aufschieben, den Status "W3C Recommendation" erhalten. Neue Versionen bauen auf die vorherigen Versionen auf und können die bisher gültigen Richtlinien erweitern, verändern oder entfernen.

Offizielle WCAG Recommendation, öffnet neues Fenster

Neue Erfolgskriterien

2.4.11 Focus Not Obscured (Minimum) (AA)

Wenn interaktive Elemente den Fokus erhalten, ist es wichtig, dass der Fokus sichtbar ist, damit Nutzer und Nutzerinnen erkennen, wo sie sich gerade befinden.

Es kann passieren, dass der Fokus z.B. durch fixe Kopf- oder Fußbereiche oder andere Elemente, die über dem Inhalt eingeblendet werden, verdeckt wird. Das Kriterium der Ebene AA sieht vor, dass die Fokus-Hervorhebung zumindest nicht komplett verdeckt wird.

Für eine bessere Usability wäre es allerdings gut, wenn das Element, wie im Erfolgskriterium 2.4.12 Focus Not Obscured (Erweitert) (AAA) gefordert, komplett sichtbar ist.

Quelle: https://www.w3.org/WAI/WCAG22/Understanding/focus-not-obscured-minimum.html

2.4.12 Focus Not Obscured (Erweitert) (AAA)

Wie im Kriterium 2.4.11, geht es hier um die Sichtbarkeit von Fokus-Hervorhebungen. Im Unterschied zu 2.4.11 darf die Fokus-Hervorhebung hier aber überhaupt nicht verdeckt sein.

Quelle: https://www.w3.org/WAI/WCAG22/Understanding/focus-not-obscured-enhanced.html

2.4.13 Focus Appearance (AAA)

Bei diesem Kriterium geht es darum, dass die Fokus-Hervorhebung deutlich erkennbar ist. Dazu legt das Kriterium fest, wie die Hervorhebung aussehen soll.

Eine durchgezogene Linie außerhalb des Elements muss mindestens 2px breit sein und einen Kontrast von 3:1 zur Umgebung und zum nicht fokussierten Status haben.

Ist die Hervorhebung innerhalb des Elements, muss die Linie mindestens 3px breit sein.

Es können auch andere Formen als Linien verwendet werden. In diesem Fall wird die minimal notwendige Fläche aus der minimalen Linienstärke und der Größe des Elements berechnet.

Quelle: https://www.w3.org/WAI/WCAG22/Understanding/focus-appearance

2.5.7 Dragging Movements (AA)

Zieh-Bewegungen können z.B. per Tastatur, Spracheingabe, Screenreader und anderen Eingabemöglichkeiten nicht ausgeführt werden. Einige Personen können diese Bewegungen vielleicht auch gar nicht oder nur sehr schwer ausführen. Daher ist es wichtig, dass es eine Alternative gibt, bei der mit einem einzelnen Zeiger und ohne Bewegung dasselbe Ziel erreicht werden kann.

Quelle: https://www.w3.org/WAI/WCAG22/Understanding/dragging-movements

2.5.8 Target Size (Minimum) (AA)

Damit interaktive Elemente leicht per Mouse, Finger oder anderen Zeigern verwendet werden können, muss es eine Fläche von mindestens 24 x 24 px geben, in der das Element nicht mit einem anderen Element überlappt.

Dieses Kriterium ist z.B. bei kleinen eng beieinander stehenden Icons zu beachten.

Quelle: https://www.w3.org/WAI/WCAG22/Understanding/target-size-minimum.html

3.2.6 Consistent Help (A)

Wenn eine Website eine Hilfefunktion oder eine andere Funktion mit Erklärungen anbietet, dann ist es wichtig, dass diese Funktionen seitenweit gleich aussehen, am gleichen Ort platziert sind und auch gleich funktionieren. Nur so wird garantiert, dass die Hilfe schnell gefunden wird.

Hilfefunktionen sind z.B. Kontaktdaten und Kontaktformulare, häufig gestellte Fragen, Seiten mit Anleitungen, Supportseiten, Chatbots.

Quelle: https://www.w3.org/WAI/WCAG22/Understanding/consistent-help

3.3.7 Redundant Entry (A)

Manchmal müssen Daten in einem Formular oder Prozess doppelt eingeben werden. Z.B. Rechnungs- und Lieferadressen. Die beiden Adressen können gleich sein oder voneinander abweichen. Das Kriterium legt fest, dass dieselben Daten nicht mehrfach angegeben werden müssen. D.h. Wenn die beiden Adressen gleich sind, muss es eine Möglichkeit geben, die Adresse automatisch zu übernehmen.

Es gibt aber auch Situationen, in denen die doppelte Eingabe für die Sicherheit oder Fehlervermeidung wichtig ist. So sind z.B. die doppelte Eingabe eines Passworts oder einer E-Mail-Adresse ausgenommen.

Diese Maßnahmen helfen z.B. Personen, die sich Informationen schwer merken können oder sich nicht lange auf eine Aufgabe konzentrieren können. Aber auch Personen mit motorischen Einschränkungen können Formulare schneller ausfüllen.

Quelle: https://www.w3.org/WAI/WCAG22/Understanding/redundant-entry

3.3.8 Accessible Authentication (Minimum) (AA) und 3.3.9 Accessible Authentication (Enhanced) (AAA)

Logins sollen so einfach wie möglich sein.

Ein Login sollte nicht nur aus einem kognitiven Test bestehen. D.h. Es muss zumindest eine Alternative geben, bei der kein Passwort gemerkt, Einmalpasswort abgeschrieben oder eine Aufgabe gelöst werden muss.

Wenn Passwörter oder Ähnliches ausgefüllt werden müssen, ist es wichtig, dass Passwörter kopiert und eingefügt werden können. Felder dürfen also nicht fürs Einfügen gesperrt sein.

Möglichkeiten für Authentifizierungen sind unter anderem:

  • Passwörter oder einzelne Zeichen aus einem Passwort
  • Muster zeichnen
  • Verifizierung per E-Mail oder auf einem zweiten Gerät
  • Scannen eines QR-Codes
  • Fingerabdruck
  • Gesichtserkennung
  • etc.

Auch bei Captchas ist eine Alternative ohne kognitive Aufgaben notwendig.

In der Minimalvariante (AA) können auch Aufgaben verwendet werden, die auf die Erkennung von Objekten aufbauen. In der erweiterten Variante (AAA) ist das nicht erlaubt.

Quellen:

Entferntes Erfolgskriterium

Aufgabe des Kriteriums war festzustellen, ob der zugrundeliegende HTML-Code komplett valide ist. Da aber das Parsing, also die Interpretation des HTML-Codes, sehr viel besser geworden ist, ist es nicht mehr notwendig, einen zu 100 % validen Code für Barrierefreiheit zu haben. Viele Fehler können zudem in anderen Erfolgskriterien angemerkt werden.

Das heißt aber nicht, dass es komplett egal ist, wie der Code aufgebaut ist. Korrekter Code ist immer vorzuziehen und kann weniger Nebenwirkungen haben.

Quelle: https://www.w3.org/WAI/standards-guidelines/wcag/faq/#parsing411

Was bedeutet das für mein bestehendes Projekt?

Die neuen Regeln erweitern die WCAG 2.1, d.h. wenn Ihre Website die WCAG 2.1 Kriterien erfüllt, müssen nur die neuen Regeln zusätzlich geprüft werden. Eine bestehende Barrierefreiheitserklärung wird upgedatet, sofern gefundene Probleme nicht sofort gelöst werden.

Wenn die letzte Prüfung schon länger zurückliegt, empfiehlt es sich, gleich auch die bestehenden Kriterien erneut zu überprüfen.

Barrierefrei mit Earlybird

Wir unterstützen Sie gerne bei der Planung, Konzeption, Umsetzung und der Weiterentwicklung Ihres Projekts. Lösungen von Earlybird sind maßgeschneidert auf Ihre Anforderungen und Ziele.  

Jetzt unverbindlich Online-Termin buchen oder Anfrage stellen: